Welche Anwendungen von Genome Editing sind von den Verpflichtungen für GVOs befreit?


Gewisse Produkte von Genome Editing sind von den Verpflichtungen der Europäischen GVO-Freisetzungrichtlinie 2001/18/EG befreit. Ein neuer Artikel präsentiert eine Einschätzung davon, welche Techniken betroffen sein könnten.

Weizenfeld Bildquelle: H. Perner
Weizenfeld Bildquelle: H. Perner
Wenn eine Saatgutfirma eine neue Sorte für den Anbau im Freiland auf den Markt bringen will, unterliegt diese bestimmten gesetzlichen Bestimmungen. Je nach rechtlicher Kategorie muss die Sorte einer behördlichen Prüfung unterzogen werden und die Saatgutfirma muss spezielle Sorgfaltspflichten walten lassen. In Bezug auf die Europäische GVO-Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) kann man Organismen, die mithilfe von Genome Editing entwickelt wurden, in drei Kategorien unterteilen:
 
(1) Der Organismus ist kein GVO. Dies ist dann der Fall, wenn der Organismus nur so verändert wurde, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination möglich ist (Richtlinie Art. 2 Nr. 2). Ein solcher Organismus unterliegt nicht den Verpflichtungen der Freisetzungsrichtlinie, da diese Richtlinie nur die Freisetzung von GVOs regelt.
 
(2) Der Organismus ist ein GVO. Dies ist immer dann der Fall, wenn er so verändert wurde, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist. Grundsätzlich fällt so ein Organismus in den Anwendungsbereich der Richtlinie und unterliegt in den meisten Fällen allen Regeln, die die Richtlinie zur Vermeidung von Risiken durch GVOs vorsieht.
 
(3) Der Organismus ist zwar ein GVO, fällt aber unter die Ausnahmeregel von Art. 3 i.V.m. Anhang I B. Dies ist die Klausel der „Mutagenese Ausnahme“, nach welcher Organismen, die durch Mutagenese erzeugt wurden, von den Verpflichtungen für GVOs ausgeschlossen sind.
 
Falls ein Organismus unter die zweite Kategorie fällt, unterliegt er den strengen Verpflichtungen für GVOs (Sicherheitsanforderungen, Freisetzungsbeschränkungen, Haftung, etc). Gehört er zu einer anderen Kategorie, ist er von den strengen Verpflichtungen für GVOs befreit. Stattdessen gelten die üblichen rechtlichen Bestimmungen für die Zulassung neuer Sorten. Ökonomisch macht das für den Verkauf und die Freisetzung einer neuen Sorte einen riesigen Unterschied.
Der kürzlich erschienene Artikel beschäftigt sich genauer mit den rechtlichen Kriterien der dritten Kategorie, den GVOs, die aufgrund der „Mutagenese Ausnahme“ von den Verpflichtungen der Richtlinie befreit sind (wobei die Erfüllung der GVO Definition vorausgesetzt wird bzw. separat zu prüfen wäre). Michal Bobek, Generalanwalt des Gerichtshofs der Europäischen Union, hat in den Schlussanträgen von Januar 2018 zum Fall C-528/16 klargestellt, dass seiner Meinung nach der Begriff der Mutagenese weit und dynamisch auszulegen ist und auch Techniken des Genome Editing umfasst. Diesem Interpretationsansatz folgend legen die Autoren den Art. 3 i.V.m. Anhang I B der Richtlinie aus und schlagen zum Schluss eine Liste von Genome Editing Techniken vor, deren Anwendungen von GMO-Regulierung befreit sind.
 
Im Grunde genommen sind das alle Genome Editing Techniken, die noch als „Mutagenese“ bezeichnet werden können (im Ggs. zu Transgenese), falls dabei keine „rekombinanten Nukleinsäuremoleküle“ in irgendeiner Art am Prozess beteiligt sind. Diese Bedingung, schließt aber die im Moment gebräuchlichsten Verfahren für Genome Editing aus. Die meisten Labore verwenden nämlich üblicherweise DNA-Vektoren, um die molekularen Genome Editing Werkzeuge in die Zelle einzuführen. Diese Vektoren bestehen aus rekombinanten Nukleinsäuremolekülen, die aus verschiedenen transgenen Elementen zusammengesetzt sind. Falls solche verwendet werden, fällt der daraus resultierende Organismus nicht unter die „Mutagenese Ausnahme“ nach Art. 3 i.V.m. Anhang I B der europäischen Richtlinie. Dasselbe gilt für die sgRNA, welche für CRISPR-Verfahren verwendet wird. Allerdings nimmt die Zahl der Techniken, die als Alternative dienen könnten und keine solchen „rekombinanten Nukleinsäuremoleküle“ verwenden (etwa rein proteinbasierte Techniken), schnell zu.
 
Fazit: Die Mutagenese Ausnahmeregel der Freisetzungsrichtlinie schließt – auch wenn man sie ganz wörtlich und restriktiv auslegt – einige bedeutende Anwendungen von Genome Editing von den Verpflichtungen aus, die für herkömmliche GVOs gelten. Dieses Fazit gilt freilich nur unter der Bedingung, dass das Gericht im Fall C-528/16 in seinem Urteil der Auslegung des Generalanwaltes folgt. Zudem ist die Umsetzung der Richtlinie in die nationale Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten nicht in allen Punkten einheitlich.
 

Quellenangaben

Wasmer, M., & Robienski, J. (2018). Which organisms and technologies fall under the mutagenesis exemption of the European GMO-Directive? Journal of Consumer Protection and Food Safety. https://doi.org/10.1007/s00003-018-1166-9


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