Muss man aus Gründen der Wahlfreiheit kennzeichnen?

Experten äußern sich zur Wahrnehmung von Genome Editing durch den Verbraucher


Der Einsatz von Techniken des Genome Editing in der Landwirtschaft berührt nicht nur Fragen der biologischen Sicherheit. Auch ökologische und ethische Fragen werden tangiert. Das Institut Technik-Theologie-Naturwissenschaft an der LMU München (TTN) befasst sich im Rahmen des BMBF-geförderten ELSA-Forschungsverbunds „Genome Editing in der Landwirtschaft“ mit der ethischen Frage: Muss man aus Gründen der Wahlfreiheit Lebensmittel, die mit Hilfe von Genome Editing hergestellt werden, kennzeichnen? Welches Verständnis von „Wahlfreiheit“ beeinflusst unseren Umgang mit Verbraucherschutz und Ernährungssicherheit? Um einen Überblick über relevante Aspekte zu erhalten wurden Experten aus Wissenschaft und Gesellschaft zur Teilnahme an einer Onlineumfrage eingeladen. Die nachfolgende Auswertung fasst zentrale Ergebnisse dieser Umfrage zusammen.

Bildquelle: M. Arlt
Bildquelle: M. Arlt

Genome Editing hat das Potential, eine Neubewertung der Grünen Gentechnik anzustoßen. Aber es ist nicht die Technik, die Akzeptanz sicherstellt, sondern ihr Nutzen für Mensch und Natur.

Aus Sicht der befragten Naturwissenschaftler, aber auch der Geistes- und Sozialwissenschaftler ist der Sachverhalt klar: Genome Editing (GE) ist eine deutliche Verbesserung in Präzision, Effizienz und Sicherheit gegenüber bisherigen Gentransferverfahren. Zugleich verändert diese neue Form der Gentechnik die Variabilität des pflanzlichen Genoms nicht anders als die konventionelle (Mutagenese-) Züchtung. Und eine so entstandene Sorte ist zudem nicht von konventionell gezüchteten Pflanzen unterscheidbar. Soll man sie also als Gesetzgeber, Landwirt und Verbraucher anders behandeln als bisherige Züchtungsprodukte? Auch wenn die befragten Experten das Potenzial von GE hoch einschätzen, sind sie beim Verbrauchernutzen skeptisch. Sie befürchten, dass die Einwände gegen die bisherige Gentechnik einfach auf die neuen Züchtungstechnologien übertragen werden. Deshalb sehen sie nicht nur Wissenschaft und Politik, sondern auch die Landwirtschaft herausgefordert: Wenn der Einsatz von GE Vorteile auch für einen nachhaltigen Ackerbau verspricht, dann muss man diese Chancen dem Verbraucher gegenüber kommunizieren. Aber woran soll man sich dabei orientieren?

Um Wahlfreiheit von Konsumenten und Produzenten miteinander vereinbar zu gestalten braucht es nicht nur Transparenz, sondern auch Vertrauen.

Eine verantwortliche Kommunikation der Potenziale von GE kann nicht von den Wertorientierungen absehen, die die Kaufentscheidungen von Verbrauchern leiten. Weil die „Natürlichkeit“ der Produkte über allem steht, könnten die neuen Pflanzenzüchtungstechnologien, auch wenn sie dem Landwirt nützen, vom Konsumenten abgelehnt werden. Die Umfrage ergab, dass der Faktor „Vertrauen“ und vor allem „ein positives Gefühl“ beim Kauf eines Produkts als besonders einflussreich erachtet werden. Nach Ansicht der Experten berührt dies zentrale Aufgaben der Kommunikation von GE: Ernährung hat nicht nur einen Preis, sondern ist ein zentraler ethischer Wert.

Lebensmittelkennzeichnung sollen Kaufentscheidungen erleichtern. Aber wenn Wahlfreiheit das Ziel ist, versprechen Label oft mehr als sie halten können.

Die Onlineumfrage unter Experten legte einen Schwerpunkt auf die Frage, welche Rolle die Kennzeichnung bei Konsumentenentscheidungen spielt. Die Antworten darauf fielen differenziert aus. Zwar stimmte die Mehrheit der Befragten darin überein, dass die Kennzeichnung von Lebensmitteln grundsätzlich ein geeigneter Weg ist, um Wahlfreiheit zu ermöglichen. Doch insbesondere diejenigen, die den Wert der Ernährungssicherheit besonders betonen, sind angesichts eines Labeling von GE-Produkten eher skeptisch. Sie heben hervor, dass in diesem Fall eine Kennzeichnung eher emotional wirkt und alte Vorurteile gegenüber der modernen Biotechnologie zementiert. Bestätigt sehen sie sich dabei durch die aktuelle GVO-Kennzeichnungspraxis von gentechnisch veränderten Organismen (GVO), die wie ein Tabu wirke, obwohl die Unbedenklichkeit von GVOs sichergestellt sei. Anders votieren die Experten, für die die Selbstbestimmung des Verbrauchers an oberster Stelle steht. Sie halten eine aufgeklärte Kaufentscheidung auch dann für gegeben, wenn sie nicht primär an wissenschaftlichen Kriterien ausgerichtet ist. Ihnen kommt es vor allem darauf an, dass der Konsument selbstbestimmt darüber entscheiden kann, was er essen will. Aber begründet der Anspruch auf Selbstbestimmung eine Pflichtkennzeichnung von GE-Produkten? Oder sollte sich Wahlfreiheit primär auf die Bereitstellung unterschiedlicher Güter konzentrieren, zwischen denen dann Verbraucher frei wählen können? Die Diskussion dieser Fragen werden das Institut TTN weiter beschäftigen

 

Quellenangaben

Hier finden Sie die ausführlichen Auswertungen (pdf):

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