Ansichtssache: Gentechnik-Gesetz greift nicht bei Genome Editing

Eine Rechtsanalyse zeigt, dass Produkte, die mit gezielter Mutagenese erzeugt werden, nach der Definition der Europäischen Richtlinie 2001/18/EG keine gentechnisch veränderten Organismen sind.


Der Begriff der Mutagenese kann im rechtlichen Sinn unterschiedlich interpretiert werden. Zwei Wissenschaftler am Centre for Ethics and Law in the Life Sciences der Universität Hannover stellen in ihrer Veröffentlichung „Produkte gezielter Mutagenese sind keine GVOs gemäß Art. 3 i.V.m. Anhang I B der Richtlinie 2001/18/EG“ ihre Sichtweise dar und beziehen damit auch Stellung zu einem laufenden Verfahren des Europäischen Gerichtshofs (Rechtssache C-528/16).

Bildquelle: J. Robienski
Bildquelle: J. Robienski

Züchter setzen seit vielen Jahren ungerichtete Mutagenese ein, um Veränderungen im Erbgut hervorzurufen und so neue Sorten zu züchten. Diese Züchtungsmethoden sind durch einen Zusatzartikel vom Gentechnik-Gesetz ausgenommen (Artikel 3 in Verbindung mit Anhang I B von der Europäischen Richtlinie 2001/18/EG zur Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO)). Jedoch werden im Gesetz nicht die einzelnen Verfahren benannt, sondern es wird nur der Überbegriff „Mutagenese“ verwendet. Es stellt sich daher die Frage, ob die gezielte Mutagenese, z.B. hervorgerufen durch die Methoden des Genome Editing, auch unter diesen Artikel fällt.
Im Recht kann einem Begriff eine andere Definition zugeordnet werden als in der Umgangssprache oder im fachlichen Sprachgebrauch üblich, die sogenannte Legaldefinition. So beinhaltet die Richtlinie 2001/18/EG zum Beispiel eine Legaldefinition für den Begriff GVO. Im Falle der Mutagenese gibt es keine eigene Legaldefinition. Darum sollte die Rechtsprechung  vom biologisch/naturwissenschaftlichen Sinn des Wortes ausgehen. Laut der Analyse der Autoren Robienski und Wasmer (Zitat) „sind durch Mutagenese gewonnene Organismen von allen Regelungen der Richtlinie ausgenommen und fallen auch nicht in den Anwendungsbereich der Legaldefinition des Begriffs des genetisch veränderten Organismus im Sinne der Richtlinie. Der Begriff Mutagenese ist zudem dynamisch auszulegen, nach dessen naturwissenschaftlicher Bedeutung, welche auch gezielte Mutagenese umfasst. Dies bedeutet, dass Produkte gezielter Mutagenese keine GVOs im Sinne der Richtlinie sind.“ Somit sind auch Organismen, die durch gezielte Mutagenese gezüchtet wurden, nicht von den regulatorischen Einschränkungen betroffen, die im Gentechnik-Gesetz gelten. Sollte jedoch der Spender- oder Empfänger-Organismus ein GVO nach der Legaldefinition der Richtlinie 2001/18/EG sein, dann greift das Gentechnik-Gesetz.

Quellenangaben

Jürgen Robienski, Martin Wasmer. 2018. Produkte gezielter Mutagenese sind keine GVOs gemäß Art. 3 i.V.m. Anhang I B der Richtlinie 2001/18/EG. Journal of Consumer Protection and Food Safety. https://doi.org/10.1007/s00003-017-1147-4. Published online 11. January 2018


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